Eine Reinigung und Desinfektion im Bereich mikrobiologisch sensibler Lebensmittel ist zur Erzielung und Erhaltung hoher Produktqualität unumgänglich. Anforderungen an eine ausreichende Reinigung von Melkanlagen und Milchbehältern sind:
- Vollständiges Entfernen von Lebensmittelresten
- Unterwanderung und Ablösung anhaftender Fett- und Eiweißbestandteile
- ausreichende Keimabtötung bzgl. lebensmittelrelevanter Keime
Im wesentlichen sind es vier Faktoren, die dabei zusammenwirken:
- Zeit
Je länger die Einwirkzeit, um so besser die Reinigungswirkung.
- Temperatur
Je höher die Temperatur, um so sicherer die Desinfektionswirkung ohne Chemie
- Mechanik
Vorteilhaft ist stets eine lauwarme Vorspülung, die anhaftende Eiweißreste löst. Kaltes Wasser entfernt das Fett nicht, heißes Wasser verklumpt Eiweiß und Mineralstoffe zu wasserunlöslichen Komplexen und schafft so Nistplätze für Bakterien. Die mechani-sche Reinigung sollte auf ein Bürsten möglichst verzichten. Jeder feine Borstenkratzer im Edelstahl, Gummi oder Acrylglas vergrößert die Oberfläche und schafft Rückzugsmöglichkeiten für Mikroorganismen. Turbulenzen in der Melkleitung durch ausreichen-den Lufteintrag und Verwirbelungen leisten bessere und schnellere Arbeit.
- Reinigungsmittel
Alles was diese drei nicht können, muss das Reinigungsmittel, sprich die Chemie, leisten.
Insbesondere beim Chemieeinsatz wird von biologischen Betrieben nach Alternativen gesucht. So erfolgt die Reinigung nicht selten mit reduzierter Einsatzmenge konventioneller Reiniger, mit minimiertem Wirkstoffaufwand (Essigsäure, Obstessig) oder unter Verwendung unkonventioneller Säurepräparate (Molke). Dass dabei auch über einen längeren Zeitraum eine gute Reinigungswirkung (dokumentiert durch niedrige Keimzahlen) erzielt werden kann, bestätigt nur das Zusammenspiel der vier am Reinigungsverfahren beteiligten Faktoren. Ist einer der Faktoren mangelhaft (z.B. die Betriebstemperatur), kommt es zu Keimproblemen.
Der Einsatz von Alternativen zu den klassischen R+D-Mitteln mit teilweise problematischen Inhaltsstoffen ist also in hohem Maße von den hygienischen Sicherheitsreserven der Anlage abhängig. Beispielsweise vermindert eine konstruktiv bedingte Neigung zu Spülschatten (von Spüllösung nur schwach benetzte Stellen) die mechanische Reinigung dieser Stellen, lange Rohrleitungen sind gefährdet, nicht an allen Stellen die erforderliche Betriebstemperatur einzuhalten.
Gebräuchliche Reinigungssysteme
Zirkulationsreinigung
Die am häufigsten verwendete Melkanlagenreinigung sieht folgende Reinigungsschritte vor:
- Vorspülung des Systems mit lauwarmem (30º C) Wasser
- Einspeisung des Reinigungsmittels in das Spülwasser.
- Umlauf der Reinigungslösung (Einwirkzeit 5-10 Min. alkalisch, 10-15 Min sauer) bei einer Temperatur von 40 °C bis 60 °C (produktabhängig). Diese Temperatur muss in allen Anlagenteilen erreicht wer-den!!!
- Anschließend Nachspülvorgang mit Trinkwasser.
Grundsätzlich sind bei der Anwendung die genauen Anforderungen des Melkanlagenreinigers zu beachten. Dabei unterscheiden sich die verschiedenen Produkte durchaus in der Dosierung oder den Temperaturanforderungen.
Normalerweise verläuft die Reinigung zweiphasig alternierend (alkalisch, sauer):
- Alkalien quellen Rückstände auf, verseifen Fette und spalten Eiweißbestandteile. Der alkalische Reiniger stellt die Hauptkomponente in zweiphasigen Reinigungsverfahren dar.
- Säuren lösen mineralische Ablagerungen (Milchstein, Kalkstein).
Der sauren oder alkalischen Komponente sind meist desinfizierende Bestandteile zugesetzt.
Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass in der Regel ein zweimaliger saurer Reinigungsgang pro Woche ausreicht. Eine Kontrolle auf Ablagerungen (UV-Lampe oder einfacher mittels Säure, z.B. Essig-Essenz) ist empfehlenswert.
Durchsaugreinigung
Fast ohne Chemie kommen die im Bereich der Melkmaschinenreinigung seit vielen Jahrzehnten (England) eingesetzten Kochendwasserreinigungssysteme (Fa. Lemmer-Fullwood, Fa. Westfalia) aus. Eine in der Zwischenmelkzeit erwärmte Wassermenge wird einmalig durch das System geschickt. Gefordert sind eine Mindestheißhaltezeit von 2 Minuten bei mind. 77 ºC. Der gesamte Vorgang dauert 6-7 Min. Im ersten Drittel der Prozesszeit erfolgt ein Zusatz von 12,5 %iger Amidosulfonsäure, um Ablagerungen zu vermeiden. Auch andere organische Säuren wie Essig- oder Zitronensäure leisten hier gute Dienste.
Alternative Reinigungsmittel
Sicherlich kann bei der Gewinnung mikrobiologisch sensibler Lebensmittel nicht auf eine sorgfältige Reinigung verzichtet werden. Der Chemieeinsatz kann aber – wie oben erläutert – reduziert werden, wenn die Anlage ansonsten optimal eingestellt ist.
Einige Firmen bieten inzwischen auch umweltverträglichere Reinigungsmittel an, die auf die unter Umweltgesichtspunkten problematischen Inhaltstoffe Phosphate, Chlorabspalter, quaternäre Ammoniumverbindungen und mineralische Säuren verzichten:
- “Tagwerk-Melkanlagenreiniger”
Der Melkmaschinenreiniger der Fa. Diemer, Siegsdorf wird seit 1993 von TAGWERK vertrieben. Dieser Reiniger verzichtet in der sauren Komponente vollständig auf starke Mineralsäuren und arbeitet mit Zitronen- und Essigsäure. Der alkalische Reiniger bindet Calcium- und Magnesium-Ionen in der Waschflotte nur mittels Silikaten. Reinigungsaktive Bestandteile sind Natronlauge, Kalilauge und nichtionische Tenside. DLG-geprüft.
- “Webco-reminox”
Diese Neuentwicklung der Fa. Biesterfeld ist ein einphasiger Reiniger auf Basis der Peressigsäure. Deren Reinigungswirkung beruht auf oxidativen Prozessen. Sie zerfällt in ein Sauerstoffradikal, Wasser und gerin-ge Mengen Essigsäure. Zur Erhöhung der Oberflächenwirksamkeit sind geringe Mengen an Tensiden ent-halten.
Ein Wechsel zwischen alkalischem und saurem Reiniger ist mit diesem einphasigen Reiniger nicht mehr notwendig. DLG-geprüft.
- “ABAX-Melkanlagenreiniger”
Kurz vor der Markteinführung steht ein saurer Reiniger auf der Basis von Zitronen- und Milchsäure. Außer-dem enthält er bakterienhemmende ätherische Pflanzenöle.
Als alkalischen Reiniger empfiehlt der Hersteller zur Zeit das AWALAN-Maschinen-Spülmittel. Beide Produk-te sind bei der Firma ABAX zu beziehen, die besser bekannt ist als Hersteller der AURO-Farben. bisher nicht DLG-geprüft.
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Stand: Februar 1996
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Bezugsquellen
Unter der Rubrik “20. Reinigungs- und Desinfektionsmittel” haben wir Ihnen Firmen, die Reinigungs- und Desinfektionsmittel anbieten zusammengestellt:
Bezugsquellenverzeichnis des VHM
Folgende Firmen unterstützen den VHM durch Ihre Mitgliedschaft
Quelle: Finktec
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Inhaltsstoffe von Melkanlagenreinigern
Alkalische Bestandteile
Natronlauge oder Ätznatron (NaOH), Kalilauge, Soda bauen wasserunlösliche Eiweiße ab und verseifen Fette. Sie können durch anorganische Säuren neutralisiert werden. Umweltrelevant ist dann allenfalls die Düngewirkung der Mineralsalze.
Saure Bestandteile
i.d.R. anorganische Säuren, wie Phosphorsäure, Salpetersäure, Schwefelsäure oder Natriumhydrogensulfat, die teilweise durch organische Säuren (Zitronensäure, Ameisen-säure) ersetzt werden können.
Komplexbildner (Enthärter)
Sie können die Härtebildner des Wassers (Calcium- und Magnesium-Ionen) chemisch zu Komplexen binden und so für den Spülvorgang unschädlich machen. Ohne Zusatz von Komplexbildnern würde es über 60°C zu Kalkablagerungen kommen.
Das früher verwendete Phosphat wird inzwischen durch zwei Stoffgruppen ersetzt:
- EDTA (Ethylendiaminotetraacetat) und NTA (Nitrilotriacetat)
Diese schwer abbaubaren Verbindungen sind u.a. wegen ihrer Eigenschaft Schwermetall aus Flusssedimenten zu lösen kritisch zu bewerten.
- Silikate
Gelten als gesundheitlich unbedenklich (z.B. auch Enthärter in Baukasten-Waschmitteln)
Waschaktive Substanzen (Tenside)
Tenside sind oberflächenaktive (netzwirksame) Bestandteile, die die Oberflächenspannung des Wassers vermindern und dadurch das Schmutzlösevermögen des Wassers erheblich erhöhen. Sie ermöglichen ein Unterkriechen von Anhaftungen, emulgieren Schmutzbestandteile und können schaumbremsend wirken. Nichtionische und kationi-sche Tenside haben zusätzlich noch bakterizide Eigenschaften.
Tenside werden aufgrund ihrer Ladungseigenschaften als amphoter (positive und negative Ladung), anionisch, kationisch und nicht ionisch bezeichnet.
Die Angaben über die biologische Abbaubarkeit sind allerdings etwas irreführend, da keineswegs der biologische Abbau bis zu unschädlichen Abbauprodukten überprüft wird, sondern nur ein erster Abbauschritt, der zum Verlust der oberflächenaktiven Eigenschaften der Tenside führt. Über die Metaboliten und ihre Wechselwirkungen ist meist wenig bekannt.
Kationische Tenside wie Quaternäre Ammoniumverbindungen (QAV) und Amphotenside (Ampholyte) gelten hier als besonders problematisch, da sie meist schlecht abbaubar sind. Der spätere Abbau in Gewässern erfolgt dann unter hohem Sauerstoffverbrauch. Wegen ihrer Materialschonung und Hautverträglichkeit werden sie dennoch häufig eingesetzt.
Anionische Tenside, die den natürlichen Seifen noch sehr ähnlich sind, gelten wegen ihrer recht guten Abbaubarkeit als relativ unproblematisch.
Desinfektionskomponenten
- Peroxide
Oxidative Wirkung durch Zerfall in Wasser und O-Radikal. Sind inzwischen ausreichend stabil, sehr wirksam und aufgrund ihrer unbedenklichen Abbauprodukte die umweltfreundliche Alternative.
- Chlor
Stark oxidierende Wirkung, bei hohem pH auch reinigungsaktiv. In der Kritik wegen hoher Umweltbelastung bei der Herstellung, sowie der Bildung von atmosphärenschädigenden Halogenkohlenwasserstoffen (AOX). Gefahr von Chlorgasvergiftungen bei Vermischung mit Säure. Bei Standdesinfektion können Edelstahl angreifende Chloride entstehen.
- Jod
analog Chlor, geringere Temperaturbeständigkeit.
- QAV (s.o.)
weisen ebenfalls eine desinfizierende Wirkung auf.
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