Rezension eines Hörstückes
Von Gras zu Käse
In dieser Ausgabe begutachten wir das Hörstück “Von Gras zu Käse” für Kinder ab 8 Jahren bzw. für alle, die gern Hören. Das Hörstück dauert 25 min und stellt die Grundlagen der handwerklichen Milchverarbeitung dar, beginnend mit der Milcherzeugung sowie der Bedeutung der Kuh als Wiederkäuer.
Die Autorin Anna Petersen ist selbst Käserin. Die Entwicklung des Hörstückes war Thema ihrer Facharbeit für den Abschluss zur Fachagrarwirtin für handwerkliche Milchverarbeitung im Jahr 2023.
Die Handlung
Mika beißt in ein großes Stück Käse. “Hmmm, lecker. Den hast du selber gemacht? Aber wie!?”
Der Weg von Gras zu Käse wird anhand des Besuches von Mika, einem Stadtkind, erzählt. Mika war bereits einige Mal auf dem Hof und kennt sich schon ein wenig aus. Nun möchte sie von der Käserin wissen, wie der Käse gemacht wird. Die beiden ziehen los, und gehen erst einmal zur Weide. “Häh, warum gehen wir denn zur Weide! Ich wollte doch wissen, wie man Käse macht!” “Ja genau”, sage ich, “und das fängt hier mit den Kühen auf der Weide an.”
Mika beobachtet, wie die Kühe wiederkauen. Es wird der erste Infoblock zum Thema “Wiederkauen” eingeschoben. Thematisiert wird beim Weidebesuch auch die Umweltwirkung der Kühe: “Mein großer Bruder hat gesagt, man müsste hier überall Wald pflanzen”, sagt Mika, “weil Kühe so viel pupsen. Das ist schlecht für die Umwelt.” Die Käserin erklärt Mika, dass bei Kühen im Bauch Methan entsteht, welches tatsächlich schlecht für die Umwelt sei. Andererseits würden die Kühe das Gras, dass wir Menschen nicht essen können, in Milch verwandeln. Wiesen, auf denen Kühe grasen, würden zudem reichen an verschiedenen Insekten und Pflanzen sein. Die beweideten Wiesen könnten auch mehr Wasser und CO2 speichern.
Anschließend werden die Kühe in den Melkstand geführt. Am nächsten
Morgen geht es in die Käserei: Kopftuch auf, saubere Kleidung an.
Bakterien werden der Milch zugegeben. Hier folgt der zweite Infoblock
zum Thema “Bakterien” – Was ist das eigentlich, wo kommen sie vor und
warum braucht man sie bei der Käseherstellung. “Aha”, sagt Mika. “Deshalb mussten wir uns auch so doll die Hände
waschen und die weißen Sachen anziehen, - damit die
Marmeladenbrotbakterien nicht in die Milch fallen!”
Während das Lab im Kessel arbeitet, gehen Mika und die Käserin in den Reifekeller. “Und die Goldenen da oben? Wie alt sind die?”, fragt Mika. “Der hier?” Ich nehme einen dunkelgelben Laib von recht weit oben aus dem Regal. “Der ist vom… 20. März, also über ein Jahr alt!” “Über ein Jahr??”, fragt Mika. “Dann ist ja gut, dass du Käse draus gemacht hast. Die Milch vom letzten März würde ich nicht mehr trinken wollen!”
Zurück in der Käserei ist die Überraschung groß, als Mika entdeckt, dass die Milch im Kessel mittlerweile dick geworden ist: “Wir haben Pudding gemacht!” Es folgt der dritte Infoblock zum Thema “Lab”.
Der “Pudding” wird kleingeschnitten, gerührt und erwärmt. Dabei wird auf das Vorgehen bei verschiedenen Käsesorten eingegangen: “Für einen Weichkäse”, sage ich, “würden wir die Stücke groß wie Walnüsse lassen und nicht so viel Wärmen. […]” Die beiden machen Mikas Lieblingskäse, einen Hartkäse.
Es folgt das Abfüllen, Wenden, Pressen und natürlich das Aufräumen. Anschließend gehen die beiden wieder nach draußen und an der Weide vorbei. Die Käserin gießt zwei Gläser Molke ein und die Geschichte klingt aus.
Erzählweise
Erzählt wird die Geschichte aus der Ich-Perspektive durch die Käserin mit der Stimme der Autorin. Neben dem eigentlichen Handlungsverlauf sind zusätzlich drei Infoblocks eingebaut, in denen die Themen Wiederkauen, Bakterien und Lab genauer erklärt werden. Diese Blocks werden durch drei Kinderstimmen gesprochen und sind durch das Ein- und Ausklingen einer Harfe sowie lautes Muhen von der Geschichte abgegrenzt.
Untermalt wird die Erzählung durch passende Geräusche, wie Glockengeläut, das Grasrupfen der Kühe, das Plätschern der Milch oder das Klappen von Türen. Auch die Übergänge zwischen den Handlungsorten (z. B. von der Weide in den Melkstand mit dem Rufen der Kühe und deren Laufgeräuschen) oder Zeitsprünge (z. B. der Tageswechsel mit Vogelgezwitscher und Hahnkrähen) werden durch Geräusche begleitet.
Abbildung 2: Aufnahme charakteristischer Geräusche
Informativ und unterhaltsam
Das Hörstück ist informativ und dabei gleichzeitig unterhaltsam, ganz so wie von der Autorin angestrebt.
Die Erzählstimme, die beide Charaktere vorträgt, schafft es durch ihre ruhige und klare Erzählweise deutlich zu machen, wer gerade spricht und ermöglicht es, entspannt der Geschichte zu folgen. Durch die Hintergrundgeräusche, die der jeweiligen Handlung entsprechen (z. B. Harfenklirren vor dem Schneiden, Abreiben von Käse im Reiferaum) wird eine Interaktivität erzeugt, die die Geschichte lebendig werden lässt.
Die Ausdrucksweise von Mika ist meiner Meinung nach altersgerecht gewählt. “Hallo, hallo ihr kleinen strepo-ko-kos.”, sagt Mika und beugt sich über den Kessel. “Geht’s euch gut?”
Mika ist ein neugieriges, aufgewecktes Kind, dass altersgerechte Analogien zu seiner neu entdeckten Umwelt hervorbringt, die mich mehr als einmal schmunzeln lassen. “Also, der Käse, den ich eben gegessen habe, […] der ist dann eigentlich das olle Gras von früher?” Es fällt dem Hörenden leicht, sich mit diesem Charakter zu identifizieren bzw. zu sympathisieren, sodass man ihn gern auf seiner Entdeckungsreise begleitet.
Durch die eingeschobenen Infoblöcke können die komplizierteren Sachverhalte bei der Milchverarbeitung (Kulturen und Lab) wie auch das Wiederkauen genauer erklärt werden, ohne die Dialoge unnötig zu überfrachten. So gelingt es, den Spannungsbogen der eigentlichen Geschichte zu halten, und dennoch dem Anspruch auf Ausführlichkeit gerecht zu werden.
Wunsch der Autorin war es, mit dem Hörstück zu mehr Verständnis und Wertschätzung gegenüber der Landwirtschaft und der Produktion von Lebensmitteln bzw. Milchprodukten beizutragen. So beginnt in ihrer Geschichte das Lebensmittel Käse auf der Weide, denn dort macht die Kuh aus Gras Milch. “[Die Kühe] machen aus der Wiese, die wir nicht essen können, Milch. Ist das nicht toll?” Wie gut das für die Umwelt ist, hängt nach der Erzählung von der Haltung der Tiere ab. Hier ist der Bogen zwischen der Art der Tierhaltung und deren Auswirkungen auf die Umwelt wunderbar gelungen. Dem Vorurteil der Kuh als Klimasünder wird fachlich begegnet (siehe Zitate oben), und es wird sinnvoll eingeordnet, ohne dabei ein romantisch verklärtes Bild der Landwirtschaft einerseits zu zeichnen oder eine rein wertebasierte Ablehnung bestimmter Haltungsformen andererseits zu vermitteln. “Naja, …”, sage ich, “die meiste Milch kommt ja nicht von Kühen, die auf der Weide grasen und -” “Aber auf den Packungen sind die Kühe immer draußen!”, sagt Mika. […] “Tja”, sage ich, “so ist es meistens nicht. Ob Kühe gut oder schlecht für die Umwelt sind, hängt ganz davon ab, wie sie gehalten werden.”
Auch die Kostbarkeit der Milch bzw. des Lebensmittel Käse wird überbracht, z. B. durch die Ehrfurcht vor dem Käse im Reifekeller: “So viel Käse habe ich ja noch nie gesehen, das sieht ja aus wie eine Schatzkammer!”
Abbildung 3: Das Gras im Käsekeller konserviert.
Obwohl zu Beginn Unterschiede in der Tierhaltung skizziert werden, bezieht sich die Geschichte im Weiteren nur auf die Herstellung eines handwerklichen Käses. Das diese Arbeitsweise nicht die Norm ist (wie eben die Weidehaltung der Kuh), wird hingegen nicht thematisiert. Möglicherweise würde dies vom eigentlichen Ziel ablenken, die grundlegende Herstellung eines Käses zu vermitteln. Da aber eingangs die Unterscheidung bei der Milcherzeugung gemacht wird, hätte sich eine Fortsetzung bei der Verarbeitung angeboten.
Ein Hörstück für alle
Bereits beim Überfliegen der Hausarbeit, in der die Entwicklung des Hörstückes beschrieben steht, war ich vollauf begeistert und konnte es gar nicht erwarten, in die Geschichte reinzuhören. Ich wurde nicht enttäuscht! Die Umsetzung finde ich überaus gelungen. Es eignet sich als einfaches Unterhaltungshörstück – definitiv auch für erwachsene Hörer - genauso wie zur Untermalung pädagogischer Inhalte. Grundsätzlich regt das Hörstück an, über die Herstellung des Käses (und auch der Milch) nachzudenken, wenn nicht gar, es selbst einmal auszuprobieren oder zumindest dabei zuzuschauen. Auf Basis des Hörstückes ließe sich wunderbar mit Kindern Käse machen oder ein Besuch auf dem Bauernhof (mit Käsereibesichtigung) vorbereiten, ob nun in der Schule oder privat.
Eine ganz große Empfehlung! Und am liebsten noch mehr solcher Hörstücke zu weiteren Themen!
Abbildung 4: Macht Lust auf mehr! Hervorragend geeignet zur Vorbereitung auf eine Käseschule oder einen Käsereibesuch. #lernortbauernhof
Weitere Informationen
Titel: Von Gras zu Käse - Ein Hörstück für Kinder und alle, die gern hören
Autorin: Anna Petersen
Verlag, Erscheinungsjahr: Eigenverlag, erschienen 2023
Dauer: 25 min
Preis: kostenfrei, abrufbar online unter https://soundcloud.com/user-241679747/von-gras-zu-kase
Sprache: Deutsch